Auch Verlieren muss man lernen

In unserer Familie spielen wir gerne und oft. Meist sind es kleine, unkomplizierte Spiele, die nicht viel Zeit fordern und für die wir auch zwischen Abendessen und Zu-Bett-Gehen noch Zeit finden. Mal gewinnt der eine, mal der andere – und weil die Spiele nur maximal 20 Minuten dauern, kann auch schnell noch eine weitere Runde gespielt werden. „Super“, dachte ich, „alles in Ordnung“. Alle sind glücklich – meine Kinder können verlieren!“

Dann jedoch kam der Tag, an dem mein Mann beschloss, Strategiespiele aus dem Schrank zu holen. „Die Siedler von Catan“ sollten gespielt werden. Da Strategiespiele noch nie mein Thema waren und ich selten Zeit abzwacken kann, um zwei Stunden ein und dasselbe Spiel zu spielen, klinke ich mich aus diesem Zeitvertreib aus.

So spielen meine drei Kinder und mein Mann nun regelmäßig, und eigentlich schien bisher alles gut zu laufen. Bis vor ein paar Wochen. Meine elfjährige Tochter kam weinend auf mich zugerannt, um mir mitzuteilen, dass Papa schon wieder gewonnen hatte – und sie und ihre Geschwister ja nie eine Chance gegen ihn hätten.

Auch Verlieren muss man lernen

Ein kleiner Streit zwischen meinem Mann und mir entflammte: Ich vertrat die Position, dass der Nachwuchs bei Laune gehalten werden müsse, wenn man sie an solch komplexe Spiele heranführe, und warf meinem Mann egoistische Gewinnermentalität vor. Er hielt dagegen, dass Kinder einen Sieg unter ehrlichen Spielbedingungen mit viel größerem Triumphgefühl und Stolz davontragen würden. Soweit die Theorie.

Vater, Tochter und Sohn spielen Scrabble
Je größer die Herausforderung im Spiel, desto größer ist auch das Frustpotential.

Wie steht es jedoch mit der Praxis? Was ist richtig? Ich glaube: beides. Klar ist, dass Kinder nicht umhinkommen, verlieren zu lernen. Ebenso klar ist, dass sie die Bewältigung von Niederlagen schon früh lernen sollten. Je eher ein Kind lernt, Frust zu akzeptieren und zu kompensieren, desto mehr soziale Kompetenz entwickelt es. Verlieren muss geübt werden – und das verlangt beiden Seiten einiges ab. Von Kindern und Eltern! Der Sprössling muss lernen, mit seinen Emotionen umzugehen, aber auch die Eltern müssen in der Lage sein, die Wut des Kindes auszuhalten. Das ist nicht immer einfach…

Das Leben steckt voller unbefriedigender Situationen, die man durchleben und meistern muss. Da helfen Erfahrungen wie „Verlieren ist gar nicht so schlimm, ich hatte trotzdem Spaß – und gewinne vielleicht das nächste Mal“ sicher viel.

Zwar hat es einige Zeit gedauert, aber letztes Wochenende kam dann tatsächlich der Triumphschrei: „Der Papa hat verloren!“

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